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Die Polarity Canvas – So managen Sie Widersprüche

„Das Merkmal ausgezeichneter Intelligenz ist die Fähigkeit, gleichzeitig zwei widersprüchliche Ideen im Kopf zu haben und trotzdem funktionsfähig zu bleiben.“
F. Scott Fitzgerald

Zwickmühlen oder Dilemmata scheinen in unserem persönlichen Kosmos und in der heutigen Unternehmenswelt an der Tagesordnung zu sein:

  • Soll ich die Erwartungen anderer erfüllen ODER meine Bedürfnisse?
  • Sollen wir unsere Produkte eher standardisieren ODER eher ganz individuell auf den jeweiligen Kunden abstimmen?
  • Soll ich an mir arbeiten ODER soll ich mich eher so annehmen wie ich bin?
  • Sollen wir uns lieber auf den Ausbau von Serviceleistungen konzentrieren ODER auf Kosteneinsparnisse?
  • Soll ich die Entscheidung lieber rational ODER eher intuitiv treffen?

Bei solchen Fragen kann die „Polarity-Canvas“ nützlich sein, die ich Ihnen im Folgenden vorstellen möchte.

Vielleicht kennen Sie dieses Bild?
Je nachdem wie man es betrachtet, sieht man (abwechselnd) eine junge oder eine alte Frau. Wir wissen, dass beide im Bild existieren und können dennoch nicht beide gleichzeitig sehen. Wir müssen hin und her schalten. Unsere Wahrnehmung ist darauf angelegt, EIN Muster zu identifizieren, es zu isolieren und andere Muster auszublenden. Selbst dann, wenn das eine Muster ohne das andere nicht möglich ist.

Ähnliche Herausforderungen begegnen uns jeden Tag in unseren Organisationen:

Stellen Sie sich vor, Sie haben die Leitung für ein großes Projekt übernommen. Da Sie ein kompetentes Projektteam an Bord haben, definieren Sie zwar Projektziele und -meilensteine, lassen aber jedem im Team viel Freiraum, seine eigenen Entscheidungen zu treffen.

Schon nach wenigen Tagen macht sich Unruhe im Team breit. Entscheidungen scheinen nicht aufeinander abgestimmt zu sein, die ersten Fehler passieren, Schuldzuweisungen häufen sich. Alle wünschen sich klarere Ansagen seitens der Projektleitung.
Sie nehmen sich ein Herz und kommunizieren deutlicher und klarer, was sie von wem wie erwarten.
Doch schon nach einigen Wochen häufen sich wieder Beschwerden im Team: Sie als Projektleitung würden zu viel vorgeben und Entscheidungsfreiheiten unnötig einschränken.
Also entschließen Sie sich, wieder mehr Entscheidungsverantwortung ins Team zu geben.

Und dieses Muster kann sich unendlich wiederholen. Das Team bewegt sich von einem Pol zum anderen. Einerseits schätzt es die Autonomie, Entscheidungen selbst treffen zu können. Im nächsten Moment legt es auf klare eindeutige Vorgaben seitens der Projektleitung Wert.

Das Team bewegt sich ständig weg von dem, was es für ein Problem hält und hin zum Wunsch nach  einer endgültigen Problemlösung. Wenn die erhoffte Lösung dann doch nicht funktioniert, beginnt das Spiel erneut: Das Team ändert sein Urteil („Autonomie ist doch keine Lösung – Autonomie ist das Problem.“) und beginnt sich auf die neue Lösung zu zubewegen (die früher das Problem war.)

Es gibt Probleme, die kann man nicht lösen – nur managen.

In der VUCA-Welt (volatil-unsicher-complex-ambig) finden solche Dynamiken täglich und in jeder Organisation statt. Wir pendeln von Planung zur Aktion zurück zur Planung, von Kundenorientierung zur Mitarbeiterorientierung und wieder zurück zum Fokus auf den Kunden, von Zentralisierung zu Dezentralisierung und zurück zur Dezentralisierung, von der Standardisierung von Kunden-Prozessen zur individuellen Betreuung und wieder zurück.

Und auch vor unserem persönlichen Leben machen diese Phänomene keinen Halt: Wir stürzen uns nach einem inspirierenden Buch oder Seminar in ein persönliches Change-Projekt, stellen uns und unser Verhalten in Frage, um nach mehr oder weniger kurzer Zeit all diese Veränderung eher als Problem zu sehen und die Lösung darin zu suchen, sich anzunehmen, wie man nun mal ist. Gefangen in der Suche nach der „richtigen“ Lösung bekommen wir meist nie das, was wir uns letztendlich erhoffen: Eine klare eindeutige und einfache Lösung: „Genau so ist es richtig.“

In Wahrheit ist diese Art von Problemen (dauerhaft) unlösbar. Weder Autonomie noch klare Top-Down-Ansagen sind besser als das jeweils andere. Es braucht beides. Beides ist unerlässlich. Beides muss von Moment zu Moment neu ausbalanciert werden.

Diesen Balance-Akt könnte man das „das Management von Polaritäten“ nennen.

Die Balance notwendiger Widersprüche und Gegensätze

Die grundlegende Botschaft im Polaritätenmanagement lautet: „Es gibt keine „richtige“ Antwort. Es gibt keine einfache Lösung.

Sie können in dem Vexierbild oben die junge Frau sehen. Aber das bedeutet nicht, dass diese Perspektive irgendwie „richtiger“ oder legitimer ist, als die alte Frau zu sehen.
Vielleicht erleben Sie in Ihrem Unternehmen gerade einige fundamentale Veränderungen für die es jede Menge plausible Gründe gibt. Aber ist dadurch das Bedürfnis einer Ihrer Kollegen nach mehr Stabilität weniger richtig?

Eine große Herausforderung unserer VUCA-Welt ist es, zwei offensichtlich widersprüchliche Wahrheiten (Polaritäten) als gleichermaßen richtig anzunehmen.

Was sind Polaritäten?

Polaritäten beschreiben Gegensätze. Zwei Pole auf einem Kontinuum, die sich einerseits widersprechen, andererseits jedoch gegenseitig brauchen. Genauso wie im obigen Bild der alten/jungen Frau ist das Eine im Anderen bereits angelegt. Fokussiert man sich nur auf das Eine, „arbeitet“ der Gegenpart im Verborgenen und aktiviert Kräfte, die zu Spannungen führen – oft sichtbar in Form von Blockaden oder Konflikten.

So ist in nahezu jedem Change-Projekt eine starke Dynamik zwischen beharrenden und veränderungs-motivierten (Führungs-)kräften zu beobachten.

Die Ersteren fühlen sich unverstanden, oft als „Hüter des Guten“, beginnen sich miteinander zu vernetzen und gehen in den Widerstand, da sie ihre bisherige Leistung abgewertet sehen. Dagegen möchten die „Veränderungs-Motivierten“ nach vorne schauen, sehen die Chancen in der Veränderung und fühlen sich vom Widerstand der Anderen blockiert und genervt. Zwei gegensätzliche Pole, die gerade nicht verstehen, dass das Gesamtsystem Organisation sowohl den Einen als auch den Anderen braucht.

Unter Polaritäten verstehen wir die Interpendenz zwischen zwei Polen eines Kontinuums, in dem die beide Enden des Kontinuums Gegensätze repräsentieren. Beide Pole sind notwendig, um den langfristigen Erfolg eines Systems (Mensch, Organisation) sicherzustellen.

Einige Beispiele:

  • Struktur UND Flexibilität
  • Wandel UND Beständigkeit
  • Unterstützen UND Fordern
  • Kerngeschäft ausbauen UND risikofreudiges Vorstoßen in neue Märkte
  • Mitarbeiter konsequent führen UND großzügig Freiräume gewähren

Um Organisationen gut aufgestellt mit klugen Entscheidungen in die Zukunft zu führen, müssen wir uns von dem Mythos der Eindeutigkeit verabschieden und lernen, Widersprüche und Ambivalenzen zu managen.
In unserem naturwissenschaftlich geprägten Denkrahmen sind wir der Meinung, dass es nur ein „Entweder-oder“ geben könnte, dass sich ein Ende des Kontinuums letztendlich gegen das Andere durchsetzen muss, dass es „nur ein wirklich Richtiges“ geben kann.
(Worauf dieser „Entweder-oder“-Denkrahmen basiert – möchte ich in einem weiteren Artikel näher betrachten.)

Die Polarity-Canvas in der Praxis

Wenn Sie einmal akzeptiert haben, dass es auf derartige Probleme keine einfache Lösung gibt und dass die beste Antwort in der Spannung und in der Unsicherheit liegt, dann ist das mehr als die Hälfte der Miete. Für die praktische Umsetzung können folgende Schritte nützlich sein:

  1. Identifizieren Sie die beiden Pole, zwischen denen Sie sich bewegen.
  • Ist es mir/uns möglich, die Polaritäten, zwischen denen ich mich/wir uns momentan bewegen, auszuhalten und zu akzeptieren?
  • Kann ich in beiden Polen positive Seite erkennen? Jene positiven Effekte, die jeder Pol in sich trägt?
  1. Machen Sie sich die größere Bedeutung bewusst, die eine gelungene Integration beider Pole für Sie und/oder Ihre Organisation mit sich bringen würde. Fragen Sie sich auch: Was wären die Konsequenzen, wenn diese Integration auf Dauer nicht gelingt?
  2. Erstellen Sie für jeden Pol eine Liste mit Vorteilen.
    • Kann ich in beiden Polen positive Seite erkennen? Welche positiven Effekte/Vorteile trägt jeder der beiden Pole in sich?
  3. Erstellen Sie für jeden der beiden Pole eine Liste mit Ideen und Maßnahmen.
    • Wie kann ich/können wir die positiven Effekte beider Pole noch besser nutzen? Was sind hierfür konkrete Ideen und Maßnahmen?
  4. Erstellen Sie für jeden Pol eine Liste mit Nachteilen.
    • Wenn ich mich/wir uns zu stark auf einen Pol fokussieren – welche negativen Effekte (Nachteile, Risiken) können auftreten?
  5. Identifizieren Sie eine Reihe von „Frühwarnindikatoren“, die anzeigen, wann der Vorteil eines Pols beginnt in Richtung Nachteil zu kippen („Zuviel des Guten“).
    • Woran kann ich/können wir erkennen, dass ich mich/wir uns in den negativen Pol-Bereich der Nachteile und Risiken bewege/n?
    • Was sind hierfür „Frühwarnindikatoren“?

 


Quellen:

  • Paul Hellwig (1967): Charakterologie
  • Friedemann Schulz von Thun (1991): Miteinander Reden Teil 2
  • Wikipedia: Nikomachische Ethik
  • Herbert Pietschman (2002): Eris & Eirene
  • Barry Johnson (2014): Polarity Management
  • Manfred Heise: Grafik im Beitragsbild

Seminare und Workshops zum Thema:

Wie Sie mit Ritualen Zugehörigkeit schaffen

Ich glaube, es war Prof. Gerald Hüther, der sinngemäss schrieb: „Was Menschen brauchen um glücklich und zufrieden zu sein, ist das Gefühl sich zugehörig zu fühlen.“

Worauf ein Bereichsleiter in meinem letzten Seminar meinte: „Dann sollten wir unbedingt wieder einmal einen Team-Event machen: In den Hochseilgarten oder Rafting oder wenigstens Kart-Fahren gehen“.

Nicht dass solche Events keinen Spaß machen, aber das Geld könnte man sich sparen. Denn Menschen haben seit Jahrtausenden eine äusserst wirksame Methode, um soziale Zugehörigkeit und Bindung zu stärken: Rituale.

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Die Bedeutungsleiter oder warum sich Menschen manchmal so merkwürdig verhalten

Wir Menschen sind schon seltsame Wesen. Da hat uns der liebe Gott (oder die Evolution;-) zwei Augen und zwei Ohren zum Wahrnehmen gegeben. Und dennoch spinnen wir lustig unsere persönlichen Wirklichkeiten. Und kaum haben unsere Kopfgeburten das Licht der Welt entdeckt sind wir vollends überzeugt, dass die Welt genau so ist, wie wir sie sehen.

In den letzten Wochen hatte ich viel Zeit und noch mehr Spaß dabei, derartiges (auch) bei mir selbst zu entdecken. Dieser Artikel dreht sich darum, wie elegant wir in einer Situation Bedeutungen generieren, Schlussfolgerungen ziehen, uns dann dementsprechend verhalten – und manchmal völlig daneben liegen.

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Eine Unternehmensvision mit Herz

Es erschreckt mich immer wieder.

Wenn ich Menschen frage, was sie über die Vision oder die Werte ihres Unternehmens wissen, bekomme ich häufig Antworten wie:

„Ja ich glaube, wir haben so etwas… das hängt irgendwo. Da stehen so Dinge darauf, wie „Kundenzufriedenheit“ oder so. Das hat einmal die Geschäftsleitung erstellt mit so einem externen Berater erstellt. Wenn Sie mich fragen, sind das alles blutleere austauschbare Floskeln, mit denen keiner etwas richtig anfangen kann, aber man muss es halt haben…“

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Nichts ist so so praktisch wie eine gute Theorie

Von Theorien, mentalen Modellen und Ihren Landkarten im Kopf

„Ach… das ist so theoretisch.“ „Das ist doch pure Theorie – die Praxis sieht doch ganz anders aus.“

Warum reagieren so viele Menschen allein auf das Wort „Theorie“ schon mit Aversionen? Weil Theorien fernab der Praxis sind? Weil Theorien so kompliziert und weltfremd daher kommen?

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© Depositphotos.com/fotoall (Vladyslav Danilin)

6 Strategien um ein Unternehmen lahm zu legen

Inspiriert durch ein Video von Peter Kruse, Professor für Organisationspsychologie an der Uni Bremen, habe ich hier  sechs Strategien zusammengestellt, wie Sie als Unternehmer oder Führungskraft Ihr Unternehmen spielt leicht völlig lahm legen können. 

(Natürlich haben diese Strategien keinerlei Bezug zu Ihrem Unternehmen und sind im Prinzip auch völlig Realitäts-fremd. Auch existieren alle in meinem Artikel aufgeführten Unternehmen nicht wirklich und sind rein fiktiv. Sollten Sie dennoch Parallelen zu Ihnen bekannten Unternehmen entdecken … ist das reiner Zufall;-) 

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5 Wege, um Werte wirksam in Ihrem Unternehmen zu etablieren

Werte, die Werte schaffenWenn ich in Unternehmen gerufen werde, weil dort ein „Kommunikations-Problem“ existiert, dann liegt die Ursache nicht immer auf der Ebene mangelnder Kommunikations-Kompetenz. Oftmals stecken hinter vordergründigen, aber oft wiederkehrenden Problemen – tiefere Ursachen, z.b. eine nicht existierende, nicht kommunizierte oder inkongruent gelebte Wertekultur.
In solchen Fällen wäre ein Team- oder Kommunikationsseminar nur „Flickwerk“ – im besten Falle „Symptombehandlung“.

Oft (leider nicht immer;-) gelingt es mir, die Führungskräfte davon zu überzeugen, gemeinsam etwas tiefer zu schürfen – und sich mit jenen Aspekten zu beschäftigen, die hinter dem problematischen Verhalten von Menschen oder Teams stehen, z.B. den Werten.

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AK 77 Der Experte 2.0 … Worum es in Zukunft gehen wird

Mal ganz ehrlich, es hatte schon was, ein Experte zu sein.

Ganz gleich, ob als IT-Fachmann, Marketing-Experte, Reisebürokauffrau oder NLP-Trainer.
Wir waren die Wissenden – und die anderen kamen zu uns, um zu lernen, zu erfahren und meist waren sie gerne bereit, uns dafür zu entlohnen, dass wir unser Wissen weiter gaben.

Vielleicht fragen Sie sich jetzt:
Wieso „waren“?

Ganz einfach, weil der Wissensvorsprung der so genannten Experten schneller dahin schmilzt als viele wahrhaben wollen.

Keine Zeit zum Lesen?

Den Artikel gibt´s auch zum Hören:

 

 

Der Grund: Die Leute machen sich selber schlau – und zwar oft schneller und noch schlauer als die Experten es tun können. Das Medium „Internet“ macht´s möglich.
(Und ich meine jetzt nicht das kollektive Zücken von Smartphones, wenn in gemütlicher Runde jemand fragt, wie weit der Mars von der Erde entfernt ist.)

Ich meine jenes Wissen, das noch vor ein paar Jahren ganz klar als Expertenwissen galt und zu dem Nicht-Experten schlichtweg keinen Zugang hatten. Der Wissenspool im Internet ist gigantisch gross geworden – und jeder kann sich bedienen.

Ein Beispiel:
Bevor meine Mutter das Rezept ihres Arztes einlöst, können Sie gewiss sein, dass sie vorher alles über das Medikament in Erfahrung bringt, was es zu wissen gilt – und zwar übers Internet. 

Armer Apotheker, der kann dann einem leid tun, denn er hat gar keine Chance so viel über das Medikament zu wissen, wie meine Mutter – schlicht weil er sich mit Hunderten Medikamenten beschäftigen muss – meine Mutter hingegen interessiert sich nur für ein einziges Medikament.

Ein zweites Beispiel:
Ich fahre ein recht spezielles Mountainbike und wenn ich meinen Fahrradhändler frage, ob da speziell für den Winter nicht auch ein paar noch fettere Reifen montiert werden können,  schaut der im PC nach und sagt mir: „Auf der Händlerseite steht leider nichts davon.“ Also stöbere ich mal schnell übers iPhone in ein paar einschlägigen MTB-Foren und habe die Info binnen 6 Minuten. Geht doch. Ich könnte den Reifen sogar sofort dort bestellen, günstiger wäre er auch … na und montieren kann ich das selbst. 

Wissen Sie was? Ich habe auch keine Lust mehr ins Reisebüro zu gehen, wenn ich eine nette Finca für mein nächstes Mallorca-Seminar suche. Wissen Sie was da passiert? „Moment – ich schau mal nach“, sagt dann die „durchaus nette Dame“ und wendet sich dem PC zu. Drei mal dürfen Sie raten, wo sie nachschaut. Das kann ich auch – und sogar meist schneller als sie.

Manchmal frage ich mich ernsthaft: Wozu gibt es eigentlich noch Reisebüros? Etwa nur deswegen, weil ca. 25% der Deutschen noch keinen Internetzugang haben? Nein oder?

Wozu müssen unsere Studierende eigentlich noch Zeit in klassischen Frontalvorlesungen über Grundlagenthemen absitzen? Da stellt man einmal einen rhetorisch versierten Professor vor die Kamera und schaut sich die Vorlesung dann über Youtube an – wo und wann man will und gerne auch öfters.

Kurzum: Unser schöne neue Welt des Internets futtert langsam aber sicher den Experten ihr Brot-und Butter Geschäft weg, mit dem sie jahrelang gutes Geld verdient haben.

Mal ganz nebenbei gilt das für uns Trainer, Coaches und Berater auch.

Sie glauben gar nicht, wie fit meine Teilnehmer schon ins Seminar kommen, wieviel z.B. über NLP die schon wissen, gelesen und gehört haben – meine 70 NLP-Podcasts allemal.

Lange Zeit war es völlig ausreichend,  ein klein wenig mehr als die Masse zu wissen, und damit konnte man locker seine Brötchen zu verdienen. Oder um es etwas drastischer auszudrücken: Solange die Nicht-Wissenden keinen oder nur beschwerlich Zugang zu dem gewünschten Wissen hatten, hatten die, die Zugang hatten, quasi vollautomatisch Expertenstatus.

Sterben die Experten aus?
Heisst das nun, dass wir in Zukunft keine Experten mehr haben werden?
Bedeutet das nun, dass Fahrradhändler, Reisebüros, Steuerberater oder NLP-Trainer Auslaufmodelle sind, das sich nun jeder nach Herzenslust selbst schlau machen kann?
Nein – das heisst es nicht!

Nach Gunter Dueck, Ex-CTO von IBM, Philosoph und Autor zahlreicher lesenswerter Bücher wird sich unsere Welt in zwei Wissenssegmente aufteilen:

  1. den Bereich des Allerwelts-Wissen (Commodity) und
  2. den Bereich des Premium-Wissen

Das Allerwelts-Wissen kann man sich bequem im Internet besorgen – was bleibt ist „der Premium-Bereich“. Und was der Premium-Bereich benötigt, ist eine neue Professionalität.

Nicht jene Professionalität des letzten Jahrhunderts, in der man hohes Ansehen (und auch Gehalt) genoss, wenn man immer mehr über immer weniger wusste – der fast autistisch anmutende Fachexperte – sondern das, was David Guest schon 1991 in seinem Artikel „The hunt is on for the Renaissance Man of computing“ „T-Shaped“ nannte.

Bei einem „T-Shaped“-Kompetenzprofil steht der senkrechte Strich des „T´s“ nach wie vor für ein Spezialwissen und Können – wenn ich nochmals meinen Fahrradhändler vom Anfang bemühe, dann wäre dies meinetwegen „Den Einbau von E-Motoren in Lastenfahrräder“  – hier ist er absolut der Experte, verfügt über reichlich Erfahrung und kennt jeden Kniff. Zugleich sollte er aber über den eigenen Tellerand hinausblicken können und seine Expertenkompetenz mit dem dafür nötigen Breitenwissen- und  können vereinen.

Der waagrechte Strich auf dem „T“ steht also für jenes Wissen und Können, das die Expertenkompetenz erst wirken lässt – ja darüberhinaus auch jede Menge alternativer Zukünfte erschliesst:
Wenn ich mich als Hochschulprofessor mit coolen Videoproduktion, als Projektleiter für Windkraftwerken mit agilen Projektmanagementmethoden oder als Fahrradhändler damit beschäftige, E-Bike-Leasingangebote für Unternehmen zu machen, dann brauche ich mir nur wenig Sorgen zu machen, dass ein Teil meiner heutigen Expertise morgen vielleicht schon Allerweltswissen wird.

Übrigens: IBM legte bereits Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts seiner Mitarbeiterentwicklung das Modell einer „T-Shaped Career“ zugrunde.

Lust, über das eigene Profil nachzudenken?
Vielleicht haben Sie ja Lust, einmal über Ihr „T-shaped“-Profil nachzudenken:

Ein guter erster Schritt wäre, sich folgende Fragen zu stellen:

  1. Wie sieht mein persönliches „T“ aus – bezogen auf meine Fachdiziplin? Worin bin ich Experte – also erfahrener und kompetenter als die meisten in meinem Gebiet?
    Wenn Sie in der IT-Branche sind, könnte das z.B. „Das Wissen über Workflow-management-Systeme“ sein und oder als Ingenieur z.B.  „Hydrodynamische Wälzlagertechnik“ sein.
  2. Wie sieht der „waagrechte Strich auf Ihren „T“ aus? Welches interdisziplinäre Wissen und Können brauchen Sie, um dieses „T“ noch „wirkungsvoller“ zur Geltung zu bringen?
    Oder: Welches Nicht-Wissen oder Nicht-Können verhindert, dass Ihre Expertenkompetenz richtig zur Geltung kommt?
    Bitte beachten Sie, dass es hierbei nicht darum geht, morgen ein Studium generale zu beginnen oder weitere 5 Fremdsprachen zu lernen. Es geht darum, sich jene Fähigkeiten anzueignen, die Ihre Expertise in Ihrem Umfeld zur Wirkung bringt.
    Im Zweifelsfall wären Sie im Pool der „Softskills“ fündig“: Kommunikation, Verhandlungsgeschick, Das Leiten von Gruppen, Projektmanagement. usw.

Schlussbemerkung:

Mir persönlich gefällt diese Entwicklung sehr. Wenn immer mehr Menschen in meine Seminare kommen, die z.B. über NLP oder Führung schon eine Menge wissen, die Basics schon intus haben, dann können wir immer mehr wertvolle Zeit im Seminar dafür nutzen, worum es eigentlich geht: neue tragfähige Lösungen für eine Zukunft schaffen, in der es sich lohnt zu leben.

Das hat doch etwas, oder?

Autor: Hans-Jürgen Walter

Quellen und weitere Links:

5 Gründe, warum Mitarbeiter nicht das tun, was sie tun sollen

www.flickr.com/

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Ich komme gerade von einem 2-tägigen Kommunikations-Training mit 18 Führungskräften am Starnberger See zurück.
Als ich die Teilnehmer zu Beginn fragte, welche Frage sie denn am meisten beschäftige, nahm die Frage „Warum tun meine Mitarbeiter eigentlich nicht das, was ich möchte, dass sie tun?“ den absoluten Spitzenrang ein.

Seitdem lässt mich diese Frage nicht mehr los und ich möchte heute morgen versuchen, nochmals die Ergebnisse zusammenzufassen, die wir dazu in den beiden Tagen erarbeitet haben:

Meine Mitarbeiter erledigen manche Aufgaben nicht in meinem Sinne,

1. … weil ich als Führungskraft selbst nicht so genau weiss, was und wie ich es gerne hätte. (=Ilusion der inneren Klarheit)
Weiß ich selbst genau, was ich wie von meinen Mitarbeitern erwarte?
… oder habe ich nur eine mehr oder weniger diffuse Vorstellung von Weg und Ziel. Wie inkongruent und zweideutig wird meine Anweisung wohl ausfallen, wenn ich mir selbst nicht absolut klar darüber bin, was ich genau erwarte?

2. … weil ich, als Führungskraft, davon ausgehe, dass der Mitarbeiter die Aufgabe so erledigt, wie ich sie erledigt hätte. (= Illusion, es gäbe nur einen richtigen Weg: Meinen Weg!)
Um was geht es Ihnen? Um das Ziel oder auch um den Weg? Geht es Ihnen in erster Linie, dass ein bestimmtes Ergebnis erreicht wird oder muss das Ergebnis auch auf einer ganz bestimmten Art und Weise erreicht werden? Und: Ist diese Art, die Art, wie Sie die Aufgabe erledigt hätten?
Wie sehr hängen Sie an dem Glauben, die beste Art etwas zu tun, ist I-h-r-e Vorgehensweise?

3. … weil Mitarbeiter nicht hellsehen können. (= Illusion, Menschen könnten Gedanken lesen)
Habe ich meine Erwartungshaltung auch wirklich klar kommuniziert? … oder hege ich ich vielmehr den Glauben, dass der Mitarbeiter doch wissen müsste, was ich wie von ihm erwarte. Wir waren uns im Workshop sehr schnell einig, dass wir nicht kritisieren können, was wir niemals eindeutig an unsere Mitarbeiter kommuniziert haben.

4. … weil Sprache ein Minenfeld voller Mißverständnissen ist. (=Ilusion, Sprache wäre eindeutig)
Bin ich mir sicher, dass der Mitarbeiter verstanden hat, was ich von ihm möchte? (Ilusion des Verständnisses)
Natürlich weiss ich, was ich meine, wenn ich etwas sage, aber habe ich auch sichergestellt, dass der Mitarbeiter das Gleiche darunter versteht?
„Sie müssen sich unbedingt um den Kunden Müller kümmern?“
Was heisst kümmern? Wie genau sieht das aus? Wie soll das Ergebnis des „Kümmerns“ aussehen?

5. … weil der Mitarbeiter den Sinn der Aufgabe nicht sieht. (=Ilusion, Menschen bräuchten nur das „Was“ und kein „Warum“)
Gehen wir einmal davon aus, dass die Aufgabe klar und eindeutig formuliert wurde und dass Sie, als Führungskraft mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass Ihr Mitarbeiter das gleiche verstanden hat, was Sie gemeint haben. Und: Dennoch läuft es nicht so, wie Sie sich vorstellen.
Stellen Sie sich bitte einmal für einen Moment vor, Sie wohnen in einem Haus zur Miete und die Hausordnung sieht vor, dass jeden Samstag der Gehweg gekehrt werden muss.
Zudem sehen Sie auch allsamstäglich jede Menge Ihrer Nachbarn den Besen schwingen – ob der Gehweg jetzt schmutzig ist oder nicht. Sie, allerdings, sind ein pragmatischer Mensch und sehen nicht so recht ein, etwas zu säubern, was Ansicht nach nicht schmutzig ist…
Viktor Frankl, der grosse österreichische Psychotherapeut hat einmal gesagt: „Wer das „Warum“ verstanden hat, erträgt jedes „Wie“.
Auch wenn Ihnen selbst der Sinn einer Aufgabe völlig plausibel ist, sind sie sicher, dass Ihr Mitarbeiter ebenfalls einen Sinn in der ihm übertragenen Aufgabe sieht.

Wenn Menschen, Aufgaben unmotiviert oder nur halbherzig erledigt, ist es oftmals so, dass er bestimmte Teile der Realität gerade nicht sieht oder sogar (unbewusst) verdrängt.
.. und ein wesentlicher Teil ist der Sinn einer Aufgabe. Wenn mir der Sinn dessen, was ich tun soll, nicht klar ist, warum sollte ich es tun?

Zusammenfassung:

  • Bin ich mir selbst absolut klar darüber, was ich wie von meinen Mitarbeitern erwarte?
  • Geht es mir nur um ein bestimmtes Ergebnis oder muss das Ergebnis auch auf einem bestimmten Weg erreicht werden?
  • Ist mein Weg der einzig richtige oder kann/will meinen Mitarbeitern auch eingestehen, ihre Wege zu gehen?
  • Habe ich meine Erwartungshaltung klar und eindeutig formuliert?
  • Habe ich sichergestellt, dass meine Mitarbeiter den Sinn Ihres Tuns verstehen?

Ich freue mich über Ihre Kommentare – gerne per E-Mail oder direkt hier als Kommentar.
photo credit: ViaMoi via photopin cc

Die zwei Wege, um (unerwünschtes) Verhalten zu ändern

© Andy Dean - Fotolia.comHeute ist mein zweiter Hörbeitrag zum Thema „Wie verändere ich unerwünschtes Verhalten bei anderen Menschen?“ auf Sendung gegangen.

Worum es geht da?

Wenn wir versuchen, bei anderen Menschen (Partner, Kollegen, Kinder) unerwünschtes Verhalten nachhaltig zu verändern, stehen uns zwei grundsätzlich unterschiedliche Wege zur Verfügung:

 

  1. Der innere Weg über die Einstellung
    Bei diesem Weg appellieren wir an den Anderen und versuchen seine Einstellung und  seine Überzeugung zu einem bestimmten Verhalten zu verändern – in der Hoffnung, dass sich damit auch sein Verhalten ändert.
  2. Der direkte äussere Weg über das direkt wahrnehmbare Verhalten
    Auf diesem Wege kritisieren wir direkt und zeitnah das unerwünschte Verhalten

Beide Wege habe ich in meinem Podcast etwas näher beleuchtet – Vor- und Nachteile erforscht und versucht, eine Antwort auf die Fragen zu finden: Welcher Weg ist effektiver und wirkt nachhaltiger?

Hören Sie doch einmal hinein (18:25 min):
[haiku url=“http://hjwalter.podspot.de/files/ak072_menschenbeeinflussen2_111021.mp3″ title = „Die Losada-Rate*]

NEU: Sie möchten in Ruhe den Inhalt dieser Sendung nachlesen? Gerne! Hier gibt es die  kompletten Sendetexte zum Nachlesen.

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