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6 Strategien um ein Unternehmen lahm zu legen

Inspiriert durch ein Video von Peter Kruse, Professor für Organisationspsychologie an der Uni Bremen, habe ich hier  sechs Strategien zusammengestellt, wie Sie als Unternehmer oder Führungskraft Ihr Unternehmen spielt leicht völlig lahm legen können. 

(Natürlich haben diese Strategien keinerlei Bezug zu Ihrem Unternehmen und sind im Prinzip auch völlig Realitäts-fremd. Auch existieren alle in meinem Artikel aufgeführten Unternehmen nicht wirklich und sind rein fiktiv. Sollten Sie dennoch Parallelen zu Ihnen bekannten Unternehmen entdecken … ist das reiner Zufall;-) 

Strategie 1:  Führen Sie extrem und möglichst unkalkulierbar!

Halten Sie sich als Führungskraft entweder völlig heraus oder aber versuchen Sie, möglichst alles unter Ihrer Kontrolle zu haben.

Zugegeben – es ist ehe Gratwanderung zwischen Vorgabe und Freiheit. Und oft erlebe ich in Unternehmen, dass der Führungskraft-Typ A z.B. in einem Strategiemeeting sich alle Mühe gibt, überhaupt keine „Leitplanken“ zu formulieren. Die Gründe sind dafür sind vielfältig:  Entweder er scheut – Harmonie-getrieben – den Widerspruch seines Teams oder er hat selbst (noch) keine (klare) Vorstellung hat, wohin es eigentlich gerade gehen soll. Die Konsequenz: Je nach Naturell seines Führungsteams füllt dieses nun den freien Raum mit eigenen Vorstellungen (… was nicht im Sinne des Erfinders war) oder aber im schlechteren Fall, es sitzt paralysiert da und eiert mit suboptimalen Ideen in der Gegend herum.
Typ B liebt die Kontrolle, denn er weiss wo es lang geht. Nur „Leitplanken“ sind ihm zu wenig. Er schafft Kontrollsysteme, Checklisten und enge Zielvorgaben und verfügt über eine Unzahl von Kennzahlen (Denn: alles was man messen kann, ist auch wert, gemessen zu werden, oder?!)… und klagt dann über mangelnde Selbstverantwortung seiner Leute;-)

Erwähnenswert wäre vielleicht noch Typ C, der beide Strategien bipolar in sich eint: Wenn ihm etwas nicht passt, kann er binnen Sekunden umschalten und seinem Team die eben noch vorhandenen Freiheitsgrade ad hoc und meist unvorhersehbar zu 100% entziehen á la „Wenn man sich nicht selbst darum kümmert, wird es halt auch nichts.

Alternativen: Eine Strategie, die ich als Trainer, Coach und Berater im Rahmen des Führungsmodells „UnternehmerEnergie“empfehle: Schaffen Sie einfache „Leitplanken“ in Form einer klar definierten Unternehmens-Werten und Führungsgrundsätzen. Erarbeiten Sie mit Ihrem Team einen „Leuchtturm“ in Form von einer Unternehmensvision, die eben nicht jeden Schritt des Weges vorgibt, aber klar macht, wohin die Reise gehen soll. Denken Sie darüber nach, was Ihnen in und für Ihr Unternehmen wirklich wichtig ist, und seien Sie bereit, dies jederzeit in einer nachvollziehbaren Form zu kommunizieren. („einen Pfahl dafür einschlagen, was einem wichtig ist)

Strategie Nr. 2: Machen Sie viele detaillierte Pläne  und vergessen Sie die Realität!

Kaum erzähle ich in unseren Führungsseminaren etwas von Zukunftsplanung, machen sich viele Teilnehmer euphorisch auf, eine Menge Papier damit schwarz zu machen, wie die Zukunft aussehen sollte.  Daran ist grundsätzlich nichts verkehrt. Natürlich sollten  Sie sich Gedanken über die Zukunft machen und überlegen, wie Sie diese gestalten wollen. Was Sie nicht machen sollten, ist zu vergessen, was diese Pläne im Kern sind:
Seien wir ehrlich: Planungen, die über ein paar Wochen oder Monate hinaus gehen sind Vermutungen darüber, wie die Zukunft aussehen könnte. Vielleicht sollten wir Finanzpläne besser Finanzvermutungen und Strategiepläne  Strategievermutungen nennen, wie es Jason Fried in seinem Buch „Rework“ einmal treffend ausdrückte.

Es gibt einfach zu viele Einflussfaktoren, die Sie nicht kontrollieren können: der Markt, Ihre Wettbewerb, Ihre Mitarbeiter und auch Ihre Kunden. Aber kaum hat man einen Plan erstellt, erfüllt einen das wunderbare Gefühl, man hätte die Zukunft unter Kontrolle. Wenn man allzu sehr daran glaubt, Pläne seien die Wirklichkeit, verpassen sie einem Scheuklappen: „Genauso wird es kommen, weil wir gesagt haben, dass es so kommen wird.“

Der zweite mentale Stolperstein ist, dass viele Menschen glauben, je umfangreicher und detaillierter eine Planung ist, desto wahrscheinlicher trifft sie in Zukunft ein. Ich habe Unternehmen erlebt, die ganze Ordner an Zielplanungen verfasst hat (… die niemand mehr anschaut!), Finanzziele auf zwei Nachkommastellen festlegen und sich wundern, warum von Ihren 137 Jahreszielen nur 5% Realität werden.

Alternativen:

  • Ja, machen Sie sich Gedanken über die Zukunft, aber machen Sie sich klar: Dies sind mögliche Szenarien und vage Vermutungen, die allzu oft auf einer linearen Extrapolation der Vergangenheit basieren.
  • Ja, halten Sie Ihre Ziele schriftlich fest, aber machen Sie keine Doktorarbeit daraus – in der Kürze liegt die Würze.
  • Ja planen Sie, aber bleiben Sie flexibel, denn manchmal müssen Sie einfach sagen: „Wir werden ab heute eine neue Richtung einschlagen, weil das heute sinnvoll ist.“
  • Leben Sie eine Kultur des „sowohl-als-auch“: Sowohl sinnvolle Planung als auch Freiraum für Improvisation.

Strategie 3: Treiben Sie möglichst jede Woche eine „neue Sau durchs Dorf“!

Zetteln Sie möglichst viele Aktivitäten gleichzeitig an.

Unternehmer sind meist kreative Geister – dies liegt in der Natur der Sache. Sie sprühen vor Ideen, lesen meist ver-rückte Bücher, besuchen ebensolche Seminare und Symposien und sind damit  in Gedanken meist viel weiter als der Rest des Teams. Und das ist im Prinzip gut so. Nur vergessen diese kreativen Unternehmens-Geister oft, mit welchen rudimentären Problemen sich Ihr Team gerade herumschlägt. Wenn dann noch „Ungeduld“ ins Spiel kommt, wird es lustig: Dann verursacht die Ideenflut á la „Mensch, was wir alles machen könnten…“ , dass „jede Woche eine neue Sau durchs Dorf getrieben“ wird.
Meiner Meinung nach gibt es nichts Besseres als seine Leute von der Arbeit abzuhalten, als einen über-kreative Chef, der an Ideen-Inkontinenz leidet. Und zu allem Überfluss klagt der Chef dann bei mir als Berater über die „Veränderungs-Resistenz“ seiner Leute. Liebe Unternehmer, das ist keine Resistenz, das ist eine natürliche Immunabwehr des Systems.

Alternativen:  Ich denke gerade an einen Unternehmer im süddeutschen Raum, der mit seiner Ideenflut in regelmässigen Abständen die halbe Produktion lahm legte, weil diese immer wieder Kundenaufträge beiseite legen musste, um Prototypen seiner Ideen zu fertigen. Für ihn haben wir eine „Stabsstelle“ eingerichtet, die jede seiner Ideen zunächst nach Aufwand/Nutzen und Erfolgschancen quantifiziert und dann mit ihm entscheidet, ob, wann und wie diese Idee umgesetzt wird.

Vielleicht hilft es ja auch, zunächst einmal klar zwischen Idee und Projekt zu entscheiden, zusammen ein paar Kriterien festzulegen, anhand derer man entscheiden kann, ob eine Idee es wert ist als z.B. internes Projekt aufgesetzt zu werden.  En Kriterium könnte z.B. sein: Welches fundamentales Problem unserer Kunden lösen wir damit? (Wenn die Realisierung der Idee kein Kundenproblem löst, warum sollte man sie realisieren?)

Strategie 4: Analysieren Sie bis der Arzt kommt

Wenn etwas schief geht, setzen Sie alles daran, den zentralen Verursacher des Problems zu suchen – ausdauernd und unnachgiebig.

Jawoll – bei rein technischen Problemen mag es durchaus Sinn machen, nach den Ursachen eines Problems zu suchen. Wenn ein Wälzlager immer wieder heiss läuft (Konsequenz), weil es unterdimensioniert ist (=Ursache), dann ist es ratsam, die Ursache zu erkennen, um sie abzustellen.
Die Prozesse in unseren Unternehmen heute  haben jedoch einen so hohen Grad der Vernetzung, dass kaum eine Wirkung nur eine Ursache hat (Multikausalität) Und das, was heute für eine Auswirkung verantwortlich ist, kann morgen schon völlig anders ein. Aber: Menschen fühlen sich psychologisch gesehen erst dann wohl, wenn sie (zu) wissen (glauben), woran es lag.

  • Wir haben den Auftrag bekommen, weil wir das beste Angebot abgegeben haben.
  • Der Produktionsleiter hat gekündigt, weil er Probleme mit seiner Führungskraft hatte.
  • Das neue Produkt hat gefoppt, weil das Marketing schlecht war.

Alternativen: Bei den meisten (nicht-technischen) Problemen werden wir nie erfahren, woran es wirklich lag. Das gilt übrigens auch für die meisten Erfolge;-). Vergeuden Sie nicht allzu viel Zeit dafür, sich in tiefgründige Analysen zu stürzen – diese können lediglich ein wundervolles Alibi dafür sein, nichts zu ändern.

Sie suchen nach eine Alternative: Wie wäre es damit?

  1. Analysieren Sie nur solange, bis Sie eine Idee haben, was Sie anders machen können.
  2. Gehen Sie „iterativ“ vor, d.h. planen Sie den neuen Ablauf nicht von Anfang bis Ende neu durch („Wasserfall-Planung“), sondern zerlegen ihn in möglichst kleine Teile. Planen Sie den ersten Teil – und testen ihn dann in der Realität. Funktioniert er? Wunderbar – weiter zum zweiten Teil. Funktioniert  er nicht? Entwerfen Sie Teil 1 neu – dann testen Sie wieder.

Strategie 5: Sorgen Sie möglichst schnell für formellen Konsens!

Sorgen Sie dafür, dass Beschlüsse auf der formellen Ebene möglichst schnell konsensfähig sind, um sie dann informell ausgiebigst in Frage gestellt zu werden.

Pro Jahr moderiere ich so zwischen 10 – 15 Strategie-Meetings. Natürlich engagieren mich meine Auftraggeber deshalb, weil sie sich von meiner Moderation „bessere Ergebnisse“ des Meetings erhoffen. Gegen eine gewisse „Ergebnis-Orientierung“ ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Doch wenn ich merke, dass man den Erfolg des Meetings an der Schnelligkeit misst, mit der Ergebnisse aufs Papier kommt, grätsche ich dazwischen.

Diese Regel von Prof. Kruse passt 100%-ig zu meiner Wahrnehmung: Je schneller ein Beschluss Konsens findet, desto eher wird hinterher (meist schon in der Kaffeepause, spätestens aber abends an der Bar) dieses Ergebnis wieder in Frage gestellt – oder sogar boykottiert. Das Dumme dabei: Dies geschieht selten offen sondern informell im Kollegenkreis – ohne Geschäftsleitung.

Alternativen: Immer wenn es um Grundsätzliches geht, (Unternehmenswerte,-strategien u.ä.) ist das ein Prozess – und der braucht Zeit und Raum, um sich entwickeln zu können. Wenn man allzu sehr das Ergebnis im Fokus hat, bekommt es zwar – aber selten in einer Form, das alle mittragen. Seien Sie achtsam bei allzu schnellen Abnicken von Beschlüssen. Tragfähige Ergebnisse brauchen Zeit. Sollten Sie unsicher sein, ob das Ergebnis wirklich nachhaltig von allen mitgetragen wird, gibt es Trick wie Sie dies prüfen können: Greifen Sie den Beschluss an: „Na ich weiss nicht, ob dies wirklich die beste Lösung ist….“ Wenn die anderen Ihnen nun beginnen ebenfalls zuzustimmen, wissen Sie : Das hätte sowieso nicht funktioniert. Sollten Ihre Mitstreiter nun jedoch begonnen, das Ergebnis gegenüber Ihrem Angriff zu verteidigen, können Sie davon ausgehen: „Das trägt.“ Klingt paradox – funktioniert aber.

Strategie 6: Veränderung geht vorbei

Die Veränderungsgeschwindigkeit auf der Beschlussebene sollte stets größer sein, als auf der Umsetzungsebene.

Kennen Sie das: Was passiert, wenn der Chef – inspiriert von vielen neuen Veränderungsideen – z.B. von einem Führungsseminar zurück kommt? Euphorisch holt er sein Team zusammen und erklärt ihm, was es alles zu verändern gilt. Und wie reagiert das Team? Es lehnt sich gelassen zurück und wartet bis sich dieser Anfall wieder gelegt hat. Das ist keine Veränderungsunwilligkeit oder gar  Widerspenstigkeit, das ist Lernen pur. Denn das Team hat gelernt: Dieser euphorische „Brainstorm“ ihres Chefs geht vorbei – wie eine Grippe – man muss sich nur zurücklehnen und abwarten bis die Unbill an einem vorübergezogen ist. Wenn Sie dies ein paar Mal praktizieren, begeistert von den Veränderungsmöglichkeiten Ideen und Beschlüsse in die Welt setzen, aber nie dafür sorgen, dass davon auch etwas umgesetzt wird, lernt Ihr Team schnell, wie es damit umzugehen hat: Abwarten und Tee trinken.
(Im Extremfall korrespondiert diese Regel mit Regel 3;-)

Alternativen: Ich gebe den Teilnehmern unserer Führungsseminare dazu ein paar Tipps von John Kotter mit auf den Nachhauseweg:

Wenn Sie in Ihrem Unternehmen etwas ändern möchten, ….

  • Stellen Sie ein kleines Subteam von „Change Junkies“ zusammen, von dem Sie wissen, dass es gerne Veränderungen angeht, infizieren Sie es mit Ihren Ideen und agieren Sie aus dieser Keimzelle heraus.
  • Entwickeln Sie zusammen mit diesem Team eine klare Zielvorstellung und eine Strategie, inwiefern sich die Zukunft von der Vergangenheit unterscheiden wird und wie diese Zukunft zur Wirklichkeit werden kann.
  • Sorgen Sie dafür, dass möglichst viele Menschen in Ihrer Organisation diese Zielvorstellung und Strategie verstehen und akzeptieren.
  • Ganz wichtig: Sorgen Sie für kurzfristige, sichtbare und eindeutige Erfolge. Nichts überzeugt Zweifler mehr, als die Erkenntnis, dass es funktioniert.
  • Noch wichtiger: Lassen Sie nicht nach. Jeder kleine Erfolg sollte Sie noch energischer stimmen, beharrlich eine Veränderung nach der anderen anzugehen, bei Ihre Zielvorstellung realisiert ist.

Der Video von Prof. Peter Kruse:

Inspiriert hat mich zu diesem Artikel der bemerkenswerte Video von Prof. Peter Kruse „Die acht Regeln für den totalen Stillstand im Unternehmen.“

Literaturhinweise:

Ich freue mich auf Ihre – gerne auch auf konstruktiv-kritische – Kommentare.

Autor: Hans-Jürgen Walter