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Die Polarity Canvas – So managen Sie Widersprüche

„Das Merkmal ausgezeichneter Intelligenz ist die Fähigkeit, gleichzeitig zwei widersprüchliche Ideen im Kopf zu haben und trotzdem funktionsfähig zu bleiben.“
F. Scott Fitzgerald

Zwickmühlen oder Dilemmata scheinen in unserem persönlichen Kosmos und in der heutigen Unternehmenswelt an der Tagesordnung zu sein:

  • Soll ich die Erwartungen anderer erfüllen ODER meine Bedürfnisse?
  • Sollen wir unsere Produkte eher standardisieren ODER eher ganz individuell auf den jeweiligen Kunden abstimmen?
  • Soll ich an mir arbeiten ODER soll ich mich eher so annehmen wie ich bin?
  • Sollen wir uns lieber auf den Ausbau von Serviceleistungen konzentrieren ODER auf Kosteneinsparnisse?
  • Soll ich die Entscheidung lieber rational ODER eher intuitiv treffen?

Bei solchen Fragen kann die „Polarity-Canvas“ nützlich sein, die ich Ihnen im Folgenden vorstellen möchte.

Vielleicht kennen Sie dieses Bild?
Je nachdem wie man es betrachtet, sieht man (abwechselnd) eine junge oder eine alte Frau. Wir wissen, dass beide im Bild existieren und können dennoch nicht beide gleichzeitig sehen. Wir müssen hin und her schalten. Unsere Wahrnehmung ist darauf angelegt, EIN Muster zu identifizieren, es zu isolieren und andere Muster auszublenden. Selbst dann, wenn das eine Muster ohne das andere nicht möglich ist.

Ähnliche Herausforderungen begegnen uns jeden Tag in unseren Organisationen:

Stellen Sie sich vor, Sie haben die Leitung für ein großes Projekt übernommen. Da Sie ein kompetentes Projektteam an Bord haben, definieren Sie zwar Projektziele und -meilensteine, lassen aber jedem im Team viel Freiraum, seine eigenen Entscheidungen zu treffen.

Schon nach wenigen Tagen macht sich Unruhe im Team breit. Entscheidungen scheinen nicht aufeinander abgestimmt zu sein, die ersten Fehler passieren, Schuldzuweisungen häufen sich. Alle wünschen sich klarere Ansagen seitens der Projektleitung.
Sie nehmen sich ein Herz und kommunizieren deutlicher und klarer, was sie von wem wie erwarten.
Doch schon nach einigen Wochen häufen sich wieder Beschwerden im Team: Sie als Projektleitung würden zu viel vorgeben und Entscheidungsfreiheiten unnötig einschränken.
Also entschließen Sie sich, wieder mehr Entscheidungsverantwortung ins Team zu geben.

Und dieses Muster kann sich unendlich wiederholen. Das Team bewegt sich von einem Pol zum anderen. Einerseits schätzt es die Autonomie, Entscheidungen selbst treffen zu können. Im nächsten Moment legt es auf klare eindeutige Vorgaben seitens der Projektleitung Wert.

Das Team bewegt sich ständig weg von dem, was es für ein Problem hält und hin zum Wunsch nach  einer endgültigen Problemlösung. Wenn die erhoffte Lösung dann doch nicht funktioniert, beginnt das Spiel erneut: Das Team ändert sein Urteil („Autonomie ist doch keine Lösung – Autonomie ist das Problem.“) und beginnt sich auf die neue Lösung zu zubewegen (die früher das Problem war.)

Es gibt Probleme, die kann man nicht lösen – nur managen.

In der VUCA-Welt (volatil-unsicher-complex-ambig) finden solche Dynamiken täglich und in jeder Organisation statt. Wir pendeln von Planung zur Aktion zurück zur Planung, von Kundenorientierung zur Mitarbeiterorientierung und wieder zurück zum Fokus auf den Kunden, von Zentralisierung zu Dezentralisierung und zurück zur Dezentralisierung, von der Standardisierung von Kunden-Prozessen zur individuellen Betreuung und wieder zurück.

Und auch vor unserem persönlichen Leben machen diese Phänomene keinen Halt: Wir stürzen uns nach einem inspirierenden Buch oder Seminar in ein persönliches Change-Projekt, stellen uns und unser Verhalten in Frage, um nach mehr oder weniger kurzer Zeit all diese Veränderung eher als Problem zu sehen und die Lösung darin zu suchen, sich anzunehmen, wie man nun mal ist. Gefangen in der Suche nach der „richtigen“ Lösung bekommen wir meist nie das, was wir uns letztendlich erhoffen: Eine klare eindeutige und einfache Lösung: „Genau so ist es richtig.“

In Wahrheit ist diese Art von Problemen (dauerhaft) unlösbar. Weder Autonomie noch klare Top-Down-Ansagen sind besser als das jeweils andere. Es braucht beides. Beides ist unerlässlich. Beides muss von Moment zu Moment neu ausbalanciert werden.

Diesen Balance-Akt könnte man das „das Management von Polaritäten“ nennen.

Die Balance notwendiger Widersprüche und Gegensätze

Die grundlegende Botschaft im Polaritätenmanagement lautet: „Es gibt keine „richtige“ Antwort. Es gibt keine einfache Lösung.

Sie können in dem Vexierbild oben die junge Frau sehen. Aber das bedeutet nicht, dass diese Perspektive irgendwie „richtiger“ oder legitimer ist, als die alte Frau zu sehen.
Vielleicht erleben Sie in Ihrem Unternehmen gerade einige fundamentale Veränderungen für die es jede Menge plausible Gründe gibt. Aber ist dadurch das Bedürfnis einer Ihrer Kollegen nach mehr Stabilität weniger richtig?

Eine große Herausforderung unserer VUCA-Welt ist es, zwei offensichtlich widersprüchliche Wahrheiten (Polaritäten) als gleichermaßen richtig anzunehmen.

Was sind Polaritäten?

Polaritäten beschreiben Gegensätze. Zwei Pole auf einem Kontinuum, die sich einerseits widersprechen, andererseits jedoch gegenseitig brauchen. Genauso wie im obigen Bild der alten/jungen Frau ist das Eine im Anderen bereits angelegt. Fokussiert man sich nur auf das Eine, „arbeitet“ der Gegenpart im Verborgenen und aktiviert Kräfte, die zu Spannungen führen – oft sichtbar in Form von Blockaden oder Konflikten.

So ist in nahezu jedem Change-Projekt eine starke Dynamik zwischen beharrenden und veränderungs-motivierten (Führungs-)kräften zu beobachten.

Die Ersteren fühlen sich unverstanden, oft als „Hüter des Guten“, beginnen sich miteinander zu vernetzen und gehen in den Widerstand, da sie ihre bisherige Leistung abgewertet sehen. Dagegen möchten die „Veränderungs-Motivierten“ nach vorne schauen, sehen die Chancen in der Veränderung und fühlen sich vom Widerstand der Anderen blockiert und genervt. Zwei gegensätzliche Pole, die gerade nicht verstehen, dass das Gesamtsystem Organisation sowohl den Einen als auch den Anderen braucht.

Unter Polaritäten verstehen wir die Interpendenz zwischen zwei Polen eines Kontinuums, in dem die beide Enden des Kontinuums Gegensätze repräsentieren. Beide Pole sind notwendig, um den langfristigen Erfolg eines Systems (Mensch, Organisation) sicherzustellen.

Einige Beispiele:

  • Struktur UND Flexibilität
  • Wandel UND Beständigkeit
  • Unterstützen UND Fordern
  • Kerngeschäft ausbauen UND risikofreudiges Vorstoßen in neue Märkte
  • Mitarbeiter konsequent führen UND großzügig Freiräume gewähren

Um Organisationen gut aufgestellt mit klugen Entscheidungen in die Zukunft zu führen, müssen wir uns von dem Mythos der Eindeutigkeit verabschieden und lernen, Widersprüche und Ambivalenzen zu managen.
In unserem naturwissenschaftlich geprägten Denkrahmen sind wir der Meinung, dass es nur ein „Entweder-oder“ geben könnte, dass sich ein Ende des Kontinuums letztendlich gegen das Andere durchsetzen muss, dass es „nur ein wirklich Richtiges“ geben kann.
(Worauf dieser „Entweder-oder“-Denkrahmen basiert – möchte ich in einem weiteren Artikel näher betrachten.)

Die Polarity-Canvas in der Praxis

Wenn Sie einmal akzeptiert haben, dass es auf derartige Probleme keine einfache Lösung gibt und dass die beste Antwort in der Spannung und in der Unsicherheit liegt, dann ist das mehr als die Hälfte der Miete. Für die praktische Umsetzung können folgende Schritte nützlich sein:

  1. Identifizieren Sie die beiden Pole, zwischen denen Sie sich bewegen.
  • Ist es mir/uns möglich, die Polaritäten, zwischen denen ich mich/wir uns momentan bewegen, auszuhalten und zu akzeptieren?
  • Kann ich in beiden Polen positive Seite erkennen? Jene positiven Effekte, die jeder Pol in sich trägt?
  1. Machen Sie sich die größere Bedeutung bewusst, die eine gelungene Integration beider Pole für Sie und/oder Ihre Organisation mit sich bringen würde. Fragen Sie sich auch: Was wären die Konsequenzen, wenn diese Integration auf Dauer nicht gelingt?
  2. Erstellen Sie für jeden Pol eine Liste mit Vorteilen.
    • Kann ich in beiden Polen positive Seite erkennen? Welche positiven Effekte/Vorteile trägt jeder der beiden Pole in sich?
  3. Erstellen Sie für jeden der beiden Pole eine Liste mit Ideen und Maßnahmen.
    • Wie kann ich/können wir die positiven Effekte beider Pole noch besser nutzen? Was sind hierfür konkrete Ideen und Maßnahmen?
  4. Erstellen Sie für jeden Pol eine Liste mit Nachteilen.
    • Wenn ich mich/wir uns zu stark auf einen Pol fokussieren – welche negativen Effekte (Nachteile, Risiken) können auftreten?
  5. Identifizieren Sie eine Reihe von „Frühwarnindikatoren“, die anzeigen, wann der Vorteil eines Pols beginnt in Richtung Nachteil zu kippen („Zuviel des Guten“).
    • Woran kann ich/können wir erkennen, dass ich mich/wir uns in den negativen Pol-Bereich der Nachteile und Risiken bewege/n?
    • Was sind hierfür „Frühwarnindikatoren“?

 


Quellen:

  • Paul Hellwig (1967): Charakterologie
  • Friedemann Schulz von Thun (1991): Miteinander Reden Teil 2
  • Wikipedia: Nikomachische Ethik
  • Herbert Pietschman (2002): Eris & Eirene
  • Barry Johnson (2014): Polarity Management
  • Manfred Heise: Grafik im Beitragsbild

Seminare und Workshops zum Thema:

Der Halo-Effekt- wie Manager sich täuschen lassen

In Management, (Unternehmens-/Mitarbeiter-)Führung und Beratung werden immer wieder Fehler passieren. Warum?

Weil wir es in diesen Kontexten vorrangig mit weichen Faktoren zu tun haben, die wir interpretieren müssen:

z.B. „Wird dieser Bewerber in unserem Unternehmen die Leistung bringen, die wir von ihm erwarten?

z.B. „Wird diese neue Marketingstrategie wirklich den Erfolg haben, den wir uns davon versprechen?“

Doch es gibt Fehler, die sich vermeiden lassen, wie Prof. Dr. Phil Rosenzweig in seinem Buch „Der Halo-Effekt. Wie sich Manager täuschen lassen.“ treffend beschreibt.

Hier einige wichtige Erkenntnise aus diesem äusserst lesenswerten Buch – gemischt mit meinen eigenen – empirischen Erfahrungen als Berater:

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Der Öko-Check für Ihre Ideen und Ziele

Passen Ihre Ideen zu Ihren Werten?

Haben Sie das schon einmal erlebt? Sie lesen über ein tolles Reiseziel, ein Freund erzählt Ihnen von seiner neuen Sportart  oder Sie entdecken in Ihrem Spanien-Urlaub eine traumhafte Finca, die zu verkaufen ist.

Und dann entwickelt sie sich in Ihrem Kopf: Die Idee.

Sie träumen davon wie es wäre, wenn…

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Denkfallen im Kopf oder warum Irren allzu menschlich ist (inkl. Denk-Test)

[titled_box title=“In diesem Artikel geht es um:“ variation=“silver“ textColor=“#000000″]Um handlungsfähig zu bleiben, müssen wir täglich viele Situationen und Menschen beurteilen und unzählige kleine und grosse Entscheidungen treffen. Viele dieser Einschätzungen treffen wir auf Grund von „Faustregeln“ (Heuristiken), die zwar ungenau sind, aber meist ausreichend gute Ergebnisse liefern. Diese Faustregeln liefert uns unser schnelles, intuitives und automatisches Denksystem. Dieser Prozess läuft sehr schnell, automatisch und weitgehend unbewusst ab. Die Faustregel-Resutate fühlen sich subjektiv stimmig an und es fällt uns oft schwer, Ihnen zu widerstehen. In bestimmten Situationen versagen diese Faustregeln und werden zu „Denkfallen„.
Die Konsequenzen: Fehlurteile und Fehlentscheidungen.[/titled_box]

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Fluchen fördert den Teamgeist

SchimpfebDass es psychohygienisch nicht ratsam ist, allen ?Ñrger in sich hineinzufressen, weiss jedes Kind, doch nun haben Wissenschaftler von der University of Anglia in Norwich nachgewiesen: Fluchen und Schimpfen – sofern dies nicht verletztend gebraucht wird – fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mannschaft. Prof. Yehuda Baruch erklärt: “ … denn dann könne der entsprechende Kollege eher er selbst sein, was zu einem offeneren und ehrlicheren Miteinander beitragen kann. Ganz abgesehen davon, dass Fluchen und Schimpfen dabei helfen, aufgestauten Stress abzubauen.

Prof. Baruch und seine Kollegen empfehlen deshalb eine eher tolerantere Führungskultur, die auch Raum lässt für die derbere Seite im Wesen vieler Mitarbeiter. Dies bedeute aber nicht, dass Schimpfwörter nun hemmungslos gebraucht werden sollten. Absolutes „No-Go“ sei nach wie vor: Persönliche Beleidigungen oder Kraftausdrücke in Anwesenheit von Kunden und Führungskräften.

Quelle: www.new-worxs.de 

Online-Brainstorming mit dem MindMeister

MindmeisterNeues Mindmap-Online-Tool getestet – der Mindmeister
Seitdem ich 1995 das Buch „DenkZeichnen“ geschrieben habe, gehört die Mindmapping-Methode für mich einfach zum täglichen Hand- sorry Denkwerkzeug.
Und das sowohl auf dem Papier als auch via PC. Ganz gleich ob ich ein neues Seminar konzipiere, Ideen sammle oder unseren Familienurlaub plane – Mindmapping ist dabei.

Irgendwann gab es dann auch einmal beim Marktführer „MindManager“ eine Möglichkeit, zusammen mit anderen im Internet an einem Mindmap zu arbeiten. Leider scheint diese Option mittlerweile abhanden gekommen zu sein – wenigstens in meiner Mac-Version. Eigentlich schade, denn das war toll. Mehrere Teilnehmer konnten ortsunabhängig im Internet an einem MindMap arbeiten, korrigieren, ergänzen, Notizen hinzufügen etc.

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Der Gabungi oder die 5 Warum-Fragen

Eine gute Frage ist die halbe Lösung

Ob es darum geht, einen neuen Mitarbeiter einzustellen, die Reklamationsquote zu senken oder ein neues Projekt zu finanzieren… jeden Tag stellen sie sich uns und wollen gelöst werden: Probleme!
Doch so allgegenwärtig dieses Phänomen ist, so wenig Aufmerksamkeit wird der systematischen Lösung desselben gewidmet. Kaum eine Schule oder Universität hat uns gelehrt, wie man es anpackt. Und so bleibt uns meist nichts anderes als uns auf unserer Intuition (=“geronnene Erfahrung“) zu verlassen… und fühlen uns manchmal recht verlassen. „Stuck state“ wie wir NLP-ler sagen – man steckt fest und kommt nicht weiter. Je mehr man sich anstrengt, desto weniger geht…

Doch:
Systemisches nlp kann Ihnen eine ganze Reihe von ganz kreativen und praktischen Techniken und Lösungsstrategien anbieten, wie Sie Probleme jeder Art in Zukunft weitaus schneller und effektiver lösen können.

Heute möchte ich Ihnen eine Technik aus dem systemischen nlp vorstellen, die gleichermassen einfach wie wirkungsvoll ist, wenn es darum geht, an die Ursache eines Problems vorzustossen.

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