Seit langem reden wir von Digitalisierung – jetzt gerade werden wir „zwangsdigitalisiert„.
Die einzige Möglichkeit miteinander zu kommunizieren ist entweder mit 2 Meter Abstand oder eben telefonisch oder per Skype u.ä..

Die mehr oder weniger freiwillig gewählte soziale Abstinenz hatte in den ersten Tagen für viele erst auch etwas Gutes: Vielleicht in Form eines Homeoffice zu Hause bei der Familie zu sein. Wieder mehr Zeit füreinander zu haben. Das ist (auch) schön – zu Beginn. Langsam beginnt es zu kippen. Man hockt den ganzen Tag aufeinander, weiss oft nicht mehr, was man sich erzählen soll. Früher ist man dann zum Stammtisch oder Sport gegangen oder man hat sich mal ein der zwei Tage Auszeit in Form von einem Seminar oder Workshop-Besuch. Das entfällt gerade völlig.

Gestern erzählte mir eine befreundete Unternehmerin: „Gerade kam eine Mitarbeiterin zu mir und bat mich, ich möge alles tun, dass wir nicht schliessen müssen, da sie unmöglich zu Hause sitzen könne. Ihr Mann sei normalerweise auf Montage und jetzt sitzt er den ganzen Tag zu Hause herum, weiss nichts mit sich anzufangen und geht ihr auf die Nerven.“

Die Psychologie nennte das Crowding Effekt„, das Gefühl der Überforderung durch die Einengung der Privatsphäre. Das Gefühl, langsam fällt einem die Decke auf den Kopf.

Dafür brauchen Lösungen:

Ja, natürlich gibt es nicht erst seit gestern unzählige Angebote im Netz, mit denen man sich (sinnvoll) beschäftigen kann:

  • Sprachkurse z.B. bei Babbel
  • unzählige Kurse von dem Lernen einer Programmiersprache, über Zeichen- und Malkursekurse bis hin zu Business-Kursen

All das gibt es schon seit Jahren. Nicht wirklich überraschend ist, dass dieses Angebot gerade explodiert, denn zu den bisherigen Anbietern kommen nun noch all jene dazu, deren Präsenzkurse für nicht absehbare Zeit entfallen. Fast täglich erreichen mich Angebote über neue Online-Kurse und Webinare und ich habe (…da ich auch gerade eine Menge Zeit habe) mir in den letzten Tagen eine Menge Webinare und Online-Kurse angeschaut.

Oft toll gemacht: Didaktisch gut aufgebaut, klasse Videoqualität und gut strukturiert.

Eigentlich super, aber…bei fast allen Angeboten sitze ich wieder ALLEINE vor dem Bildschirm, schaue und höre mir ALLEINE an, was er und sie zu sagen hat.

Das ist NICHT, was ich will und auch das Nicht, was meiner Meinung nach die Menschen gerade brauchen. 

Bitte nicht noch mehr…

  • Webinare, bei denen Menschen nur passiv konsumieren können (und die leider allzu oft auch sehr „Verkaufs-lastig“ sind.)
  • Online-Angebote, die nichts anderes sind, als dass da auf dem Bildschirm der allwissende Experte Wissen absondert.

Ich glaube, was Menschen gerade gut gebrauchen können, sind …Möglichkeiten, sich im kleinen Kreis von Gleichgesinnten zu treffen und über Probleme, Lösungen und Chancen MITEINANDER zu sprechen.

Ja, das geht momentan leider nur online und auf Distanz.
Aber es ist möglich.
Mein Kollege Markus Euler hat letzte Woche damit angefangen, seine Kunden und Klienten zu einem wöchentlichen Online-Meeting über Zoom zusammen zu rufen. (Klasse Idee, Markus und vielen Dank für diese Steilvorlage).
Ich biete meinen Teilnehmern, Kunden und Coaches seit dieser Woche ebenfalls ein wöchentliches Online-Treffen an, in dem wir – zielgruppenorientiert – über momentane Chancen diskutieren und gemeinsame Lösungen erarbeiten.
Ein letztes Beispiel: Gestern war ich Teilnehmer bei einem genialen Online-Meeting von Simon Weber, in dem es mit über 20 Teilnehmerinnen um die Umsetzung von agilen Prozessen in hierarchisch-geprägten Unternehmen ging. Tolle Veranstaltung, in der ich mich wohl gefühlt habe – trotz „Online“.

Liebe Berater-und Trainer-Kolleg:innen,

wir haben alle Kompetenzen JETZT etwas wirklich Neues zu schaffen – zum Nutzen unserer Klienten, Teilnehmer und Coachees. Weitaus mehr als nur eine – mit der heißen Nadel gestrickte – 1:1 Übertragung unserer Präsenzveranstaltungen. Vielleicht sogar mit völlig neuen Preis- und Honorar-Modellen, in denen wir unser tradiertes Denken „Zeit gegen Geld“ einmal grundsätzlich in Frage stellen. Ja, vielleicht geben wir sogar unser „Mitbewerber-Denken“ auf, in dem jeder sein eigenes Süppchen kochte und argwöhnisch darauf achtete, dass ja nur kein anderer Kollege im eigenen Revier wildert.  Bisher buhlten 1.000e von Beratern, Trainer und Coaches mit fast ebenso vielen Homepages, Facebook- und Linkedin-Seiten um die Gunst von Kunden.  Jede/r von uns war der Beste und mit seiner Lösung einzigartig. Bis dato hatten wir ja noch wenigstens ein wenig „Gebietsschutz“: Ein Teilnehmer aus Rostock hat sie drei Mal überlegt, ob er ein Coaching oder ein Workshop in Garmisch belegt. Wenn wir jetzt alle unsere Angebote digitalisieren, dann ist alles für alle zu haben – immer und überall. Das könnte lustig werden.
Was wäre aber, wenn jetzt eine Zeit begänne, in dem wir Wegbereiter und Vorbilder für eine neue Art der (Zusammen-)Arbeit wären? Denn mal ehrlich: Wer von uns hat schon die Weisheit mit eigenen Löffeln gefressen? Wir stehen doch alle – mehr oder weniger – auf den Schultern der gleichen Riesen.

Nein, ich habe keinen Plan, wie das genau gehen könnte. Aber ich experimentiere, stelle Thesen auf und prüfe gegen die Realität, ob die Thesen funktionieren. Lasst uns darüber sprechen, wenn Ihr Lust habt.

Liebe Teilnehmer:innen, Kund:innen und Coachees,

solltet Du zu den Digital Natives gehören, dann wirst Du Deine helle Freude mit all den Online-Angeboten haben, die gerade aus dem Boden schiessen, wie Pilze nach einem Herbstregen…. und Du musst hier eigentlich nicht weiterlesen 😉

Aber falls Du ein Mensch bist, der (noch) viel lieber physisch im Seminarraum sitzt und es liebst in der Kaffeepause mit anderen Teilnehmer:Innen zu plaudern, dann wird es das auch in Zukunft geben.
Ich stimme Dir absolut zu, wenn Du meinst: „Kommunikation und Lernen in physischer Präsenz ist durch keine noch so ausgefuchste Online-Technik zu ersetzen.“
Und… habe den Mut es auszuprobieren. Es ist wie vieles andere auch – Gewohnheit. Vielleicht kannst Du Dich noch daran erinnern, wie es zu Beginn der Smartphones war – Brauchte eigentlich keiner, oder?! Und heute – hat fast jeder eins. Ähnlich ist es mit dem „Online-Lernen und Arbeiten“.  Es geht nicht um ein „Entweder- oder“. Wir können beides nutzen – Präsenz und Online. Und wir werden zusammen lernen, beides situations-spezifisch einzusetzen.
Online-Begegnungen sind kein Ersatz für wirkliche Präsenz, aber eine hervorragende Ergänzung, um schnell, effektiv und auch Ressourcen-schonend miteinander zu arbeiten.

Letzen Samstag zum Beispiel: Wir – zwei Geschäftsführer aus dem Schwarzwald und ich hatten ein Präsenzcoaching bei mir in Bammental geplant. Auf Grund der Umstände hatte ich vorgeschlagen, uns ersatzweise „wenigstens“ für eine Stunde zu einem Zoom-Meeting (Video-Konferenz-Software ähnlich wie Skype) zu treffen. Da die beiden Ingenieure sind, stiess das Angebot auf wenig Widerstand.  Nach dem ingesamt dann doch 90 min Coaching bat ich die beiden um ein kurzes Feedback – auch zu der Art dieses Online-Coachings im direkten Vergleich zu unseren bisherigen Präsenz-Coachings.

Die für mich recht überraschende Antworten:

Wenn wir zu Dir gekommen wären, wäre das sicher irgendwie netter gewesen – von der Atmosphäre und so…
ABER… wir hätten nie in so kurzer Zeit diese Ergebnisse erreicht. Wir wären viel öfters abgeschweift, du kennst uns ja.
Von den drei Stunden Fahrtzeit einmal ganz abgesehen. Und weisst Du was das wirklich Geniale ist? Auch wenn wir im Präsenz-Coaching schon nach 90 min diese Ergebnisse gehabt hätten, wären wir ja nicht nach Hause gefahren – dann hätte sich das ja im Vergleich zur Fahrzeit gar nicht gelohnt. Wir hätten noch dieses und jenes Thema auf den Tisch gebracht und dann hätten wir uns wieder soviel Aufgaben aufgeladen, dass die Hälfte auf der Strecke geblieben wäre.
Und jetzt haben wir drei konkrete Ergebnisse, die wir nächste Woche umsetzen. Ja und dann ist es ja gar kein Aufwand mit dir, Hans-Jürgen, Ende der nächsten Woche wieder so ein 90 min Online-Coaching zu machen. Das ist doch viel effektiver.

Und falls Du gerade bemerkst, dass der „Crowding-Effekt“ bei Dir zu Hause beginnt, um die Ecke zu schielen, Du aber gerade wirklich keine Idee hast, was Du tun kannst, dann melde Dich einfach und wir reden darüber – das geht sogar „nur“ am Telefon.

Quelle:

zum „Crowding-Effekt“:
Crowding. (2020). In M. A. Wirtz (Hrsg.), Dorsch – Lexikon der Psychologie. Abgerufen am 21.03.2020, von https://portal.hogrefe.com/dorsch/crowding/?fbclid=IwAR0Qm_AIHl0I0wvdJZ6OGPKgYID_Dwijm7eYxTLvxnEY6yquyrkN5uXOdSI